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Beschwerdemöglichkeiten bei öffentlichen Aufträgen VOB- und HOAI-Stelle VOL-Beschwerdestelle Vergabekammer des Landes Berlin Februar 2011

Beschwerdemöglichkeiten bei öffentlichen Aufträgen
VOB- und HOAI-Stelle
VOL-Beschwerdestelle
Vergabekammer des Landes Berlin

Beschwerdestellen
Das Land Berlin hat bereits 1976 eine VOB- und HOAI - Stelle bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und eine VOL-Beschwerdestelle bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen eingerichtet. Beide Stellen gehen in einem formlosen Verfahren Verstößen gegen Vergabevorschriften (im Wesentlichen unterhalb der EU-Schwellenwerte) nach.
Der Bund und einige Bundesländer haben ebenfalls solche Beschwerdestellen. Darüber hinaus haben sie gemäß den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) so genannte Vergabeprüfstellen eingerichtet.
Vergabeprüfstellen prüfen die Rechtmäßigkeit von EU-Vergabeverfahren, haben jedoch keine formalen Eingriffmöglichkeiten. Wegen der erfolgreich tätigen Berliner Beschwerdestellen wurde auf die Einrichtung spezieller Vergabeprüfstellen gemäß GWB verzichtet.
Öffentliche Aufträge, die gemäß den Vergabevorschriften der EU vergeben werden müssen, unterliegen einem Rechtsschutzverfahren. Für die öffentlichen Auftraggeber des Landes Berlin wird dieses Verfahren vor der Vergabekammer des Landes Berlin geführt.
Der Bund und die anderen Bundesländer haben eigene Vergabekammern. Die Vergabekammern des Bundes sind dem Bundeskartellamt angegliedert. Die Vergabekammer ist eine gerichtsähnliche Instanz.
Wer einen Verstoß gegen Vergaberecht vor der Vergabekammer geltend machen will, muss sich strikt an die formalen Vorschriften halten, da sonst die Gefahr besteht, dass der Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens ohne inhaltliche Prüfung wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wird:

  • der Antragsteller muss den Auftraggeber unverzüglich auf die Verstöße gegen Vergaberecht (möglichst schriftlich) hingewiesen haben (in der Regel drei bis fünf Tage nach Kenntnisnahme des Verstoßes,
  • es ist ein eindeutiger Antragsschriftsatz bei der Vergabekammer vorzulegen,
  • im Antrag müssen überprüfbare Beweismittel benannt werden,
  • im Antrag muss dargelegt werden, dass ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (aussichtlose Bewerber und Bieter sind nicht antragsbefugt),
  • im Antrag muss dargelegt werden, dass unverzüglich gerügt wurde,
  • Teilt der Auftraggeber mit, dass er einer Rüge nicht abhelfen will, muss der Nachprüfungsantrag innerhalb von 15 Tagen gestellt werden,
  • es entstehen bei Unterliegen vor der Vergabekammer eventuell hohe Kosten, im Regelfall eine Gebühr i.H.v. 2.500 €,
  • bei Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens besteht die Gefahr von Schadenersatz,
  • das Vergabeverfahren darf in der Regel noch nicht abgeschlossen sein.

Die einschlägigen Vorschriften sind unter www.berlin.de/vergabeservice hinterlegt.
 
Voraussetzungen für den erfolgreichen Antrag
Der Auftraggeber muss ein öffentlicher Auftraggeber sein, der zur unmittelbaren
(Senatsverwaltungen, Bezirksämter, Landesämter) oder zur mittelbaren (Anstalten,
Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die dem Land Berlin zugeordnet sind) Landesverwaltung gehören.
Es gibt jedoch auch einige private Institutionen, die als öffentliche Aufraggeber gelten: Unternehmen, die in den Sektoren öffentlicher Verkehr, Versorgung mit Wärme, Strom, Trinkwasser und Gas sowie Telekommunikation tätig sind, oder staatliche Zuschüsse erhalten oder vom Land Berlin mehrheitlich kontrolliert werden. Bestehen Zweifel über die Eigenschaft eines öffentlichen Auftraggebers oder über die Zuständigkeit der Vergabekammer des Landes Berlin, sollte die Geschäftsstelle bei der Vergabekammer vorab um Rat gefragt werden. Alle Vergabestellen sind verpflichtet, im Bekanntmachungstext des jeweiligen Vergabeverfahrens die zuständige Vergabekammer anzugeben.
Der betreffende Auftrag muss ein öffentlicher Auftrag sein. Gemäß § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) handelt es sich immer dann um einen öffentlichen Auftrag, wenn der Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag mit einem Unternehmen schließt, der eine Liefer-, Bau oder Dienstleistung zum Gegenstand hat. Also in der Regel immer dann, wenn der Auftraggeber eine Leistung kauft, mietet, pachtet oder least, nicht jedoch, wenn er selbst etwas verkauft, verpachtet, vermietet oder verleast. In letzteren Fällen werden die Vergabebestimmungen des Öfteren analog angewendet, es handelt sich dann jedoch nicht um einen öffentlichen Auftrag. Eine Leistung gegen Entgelt liegt jedoch aber dann vor, wenn dem Auftragnehmer eine geldwerte Leistung, z.B. die kostenlose Überlassung von Grundstücken, Nutzungsrechten o.ä. als Entgelt zufließt (z.B. die Nutzung von Werbeflächen). Erhält der Auftragnehmer kein Entgelt oder muss er sogar dem Auftraggeber ein Entgelt leisten, handelt es sich in der Regel nicht um einen öffentlichen Auftrag.
Kein öffentlicher Auftrag ist das sogenannte Interessenbekundungsverfahren. Dieses Verfahren dient dazu, in Erfahrung zu bringen, ob eine Aufgabe, die bisher in Eigenregie durchgeführt wurde, durch einen Fremdleister erbracht werden kann; erst danach kann sich ein öffentliches Vergabeverfahren anschließen.
Auch Konzessionsverträge sind mit Ausnahme der Vergabe von Baukonzessionen gemäß § 1 a Nr. 6 der Verdingungsordnung für Bauleistungen - Teil A (VOB/A) in der Regel keine öffentlichen Aufträge. Sie regeln lediglich das Verhältnis der öffentlichen Hand zu einem Dritten, dem Exklusivrechte eingeräumt werden, auf eigene Rechnung einen Bereich der öffentlichen Hand zu nutzen, ohne das ihm ein Entgelt vom Auftraggeber gezahlt wird. Wie üblich gibt es auch einige Ausnahmen.
Bestimmte Aufträge (z.B. geheime), bestimmte Leistungen (z.B. der bloße Erwerb oder die Miete von Grundstücken) und Aufträge an bestimmte Auftragnehmer (z.B. solche, die Aufträge aufgrund eines Gesetzes ausschließlich durchführen) unterliegen nicht den Bestimmungen des Vergaberechts.
Es ist insbesondere darauf zu achten, dass der Wert des Auftrags, dessen Vergabeverfahren gerügt werden soll, sich oberhalb des jeweiligen EU-Schwellenwerts befindet. Ist dies nicht der Fall, wäre auch hier der Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unzulässig.
(Information der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen: Beschwerdemöglichkeiten bei Öffentlichen Aufträgen (Februar 2011) - abrufbar unter: http://www.berlin.de/imperia/md/content/vergabeservice/vk_flyer_11_02_21...)